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Angststörungen

(K)ein Tabu

Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer der Angststörungen zu erkranken, liegt nach internationalen Studien zwischen 14 und 29 %. Sie sind damit die häufigsten psychischen Erkrankungen. Trotzdem sind sie leider nach wie vor mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet.

Grundsätzlich ist Angst vor realen Bedrohungen sinnvoll, denn die körperlichen Reaktionen wie Herzrasen bereiten den Körper auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion vor, während die psychischen Reaktionen die Betroffenen schützen, indem Gefahrensituationen vermieden werden. Bei pathologischer Angst hingegen kommt es zu übertriebenen oder unrealistischen Reaktionen.

Geschlechterunterschiede
Frauen leiden über alle Kulturen hinweg doppelt so häufig unter Angststörungen wie Männer. Bekannt ist bisher, dass hormonelle Einflüsse die Manifestation von Angst beeinflussen. So kam es in einigen Studien prämenstruell zu einem starken Anstieg von Paniksymptomen, während diese während der Schwangerschaft in den meisten Studien seltener waren und postpartal mit dem starken Abfall der Schwangerschaftshormone wieder anstiegen. Auch geschlechtsspezifische Verhaltensmuster – Frauen suchen eher Hilfe durch Psychotherapie auf, während dies Männer der gesellschaftlichen Erwartungshaltung entsprechend vermeiden – und spezifische Lebensbedingungen (prekäre finanzielle Verhältnisse, beruflich-familiäre Doppelbelastungen, Gewalterfahrungen) und vieles mehr können für spätere psychische Störungen prädisponieren.

Stigma erschwert Diagnosestellung
Die Diagnosestellung ist oft nicht einfach. Vor allem bei Panikstörung und generalisierter Angststörung wird seitens der Betroffenen zunächst eine körperliche Ursache vermutet. Sie konsultieren ihre Hausärztin/ihren Hausarzt mit Beschwerden wie Herzrasen, Brustschmerz, Reizdarmsyndrom oder neurologischen Symptomen wie Kopfschmerzen oder Schwindel. Weil die Ängste selbst dabei nicht unbedingt geschildert werden, wird die wahre Ursache häufig nicht erkannt. Das mag auch daran liegen, dass die Hemmschwelle zum Aufsuchen einer Psychiaterin/eines Psychiaters hoch liegt, weil der Gang zu einer Expertin/einem Experten dieser Fachrichtung immer noch mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet ist.


Plötzliche Angstanfälle – Panikstörung
Der Panikstörung, auch „episodisch paroxysmale Angst“, liegen vermutlich gesteigerte Reaktionen auf körperliche Warnsignale zugrunde, die zur Annahme einer bedrohlichen körperlichen Erkrankung führen. Die plötzlich auftretenden Angstanfälle sind verbunden mit Herzrasen, Schwitzen, Atemnot bis hin zum Erstickungsgefühl, Schmerzen, Druck oder Enge in der Brust. Hinzu kommen gastrointestinale Beschwerden, Schwindel-, Ohnmachts- oder Benommenheitsgefühle, das Gefühl, dass Dinge unwirklich sind oder man selbst „nicht richtig da” ist, Hitzewallungen oder Kälteschauer, Taubheits- oder Kribbelgefühl. Panikattacken können in der Angst gipfeln, „wahnsinnig“ oder ohnmächtig zu werden und sogar zu sterben – was im Angesicht der Schwere und Bedrohlichkeit der Symptome nicht verwundert. Sie treten oft aus heiterem Himmel auf und nehmen während ca. 10 Minuten an Stärke zu. Oft ist die Panikstörung mit einer Platzangst verbunden.
Ist dies der Fall, kommt zusätzlich die Angst vor Orten hinzu, an denen bei Auftreten einer Panikattacke eine Flucht schwer möglich wäre oder Aufsehen erregen würde: in Menschenmengen, Verkehrsmitteln oder in engen Räumen wie Fahrstühlen. Die Anwesenheit von Begleitpersonen reduziert die Angst.

Zwei Säulen der Behandlung
Panikstörungen werden mit Psychotherapie und Pharmakotherapie behandelt. Dabei kommen bestimmte Antidepressiva (SSRI = selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) zum Einsatz. Die Behandlung sollte nach Stabilisierung noch für mindestens 6–12 Monate weitergeführt werden, um Rückfälle zu vermeiden. Bei Beendigung der Therapie muss die Einnahme langsam reduziert werden. Der Besuch einer Selbsthilfegruppe kann sinnvoll sein, da sich durch das Teilen der Erlebnisse mit anderen Betroffenen das Gefühl, mit der Erkrankung allein zu sein, verringern kann. Ausdauertraining, z. B. dreimal pro Woche 5 km laufen, ist eine empfehlenswerte ergänzende Maßnahme zur Standardtherapie.

Ständige Sorge – generalisierte Angststörung
Im Gegensatz zur Panikstörung treten die Symptome der generalisierten Angststörung (Generalized anxiety disorder, GAD) wie Zittern, Herzrasen, Schwindel, Übelkeit, Nervosität, Schlafstörungen usw. nicht gleichzeitig in Form eines Anfalls, sondern in wechselnder Kombination als unterschwelliger Dauerzustand auf. Betroffene können in der Regel nicht angeben, wovor sie eigentlich Angst haben, sie werden dennoch durch ständige Sorge gequält (z. B. Angst vor Unfällen sie selbst oder ihre Lieben betreffend). Erschwerend kommt meist hinzu, dass sie sich Sorgen um ihre permanente Besorgtheit machen („Meta-Sorgen“). Häufig wird eine GAD als Depression fehldiagnostiziert.
Hinsichtlich der Therapie unterscheidet sich die GAD zu jener der Panikstörung lediglich in der Pharmakotherapie, psychotherapeutische Maßnahmen stimmen mit jener der Panikstörung überein. Progressive Muskelentspannung, autogenes Training und Stressbewältigung durch Achtsamkeit ergänzen die Therapie.

Melange aus Scham und Schuld – Sozialphobie
Betroffene haben vor Situationen Angst, in denen sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, also vor dem Sprechen in der Öffentlichkeit, vor Vorgesetzten, Behördengängen, Telefonaten etc. Im Vordergrund steht die Befürchtung, sich in irgendeiner Weise lächerlich zu machen. Meist ist den Erkrankten bewusst, dass ihre Ängste von außen betrachtet überzogen sind, weswegen sie sich noch mehr schämen. Soziale Phobien sind durch ausgeprägtes Vermeidungsverhalten geprägt, was dazu führt, dass Betroffene kaum positive Erfahrungen in sozialen Situationen sammeln können. Diese Angsterkrankung wird mit kognitiver Verhaltenstherapie und Antidepressiva behandelt.

Unkontrollierte Urängste
Hierbei beschränkt sich die Phobie auf einzelne, umschriebene Situationen, die sich meistens auf Gegebenheiten der Natur beziehen (z. B. Hundephobie, Blutphobie etc). Betroffenen wird zu einer Expositionstherapie geraten. Bei bestimmten Phobien (Spinnen-, Höhen- oder Flugphobie) kann diese Therapie auch durch Exposition in der virtuellen Realität erfolgen.


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